Nathalies Reise
Nathalies Reise

Nathalies Reise

Der Strom – 

Schleier von Nebeln und Flüssen.
Wellen und Strudel von Schattierungen und blassen Farben. Grollendes Brodeln, chaotisch und doch einer Ordnung folgend. Hitze ohne Glut, in diesem Meer aus Elastomeren ergoss sich der Strom in eine tiefe düstere Schale in dem Stahl Konstrukte versanken. Langsames Abkühlen ließ unaussprechliche Formen entstehen die sich hoch aufbauten, mit Öffnungen und Streben um kurz darauf zu zerfließen und sich der Schale Form zu fügen. Mit dem Stahlkonstrukt zu verbinden sich weigernd stoben die Moleküle von ihm aber unter dem Zwang des Drucks und der Gravitation umschloss der Fluss letztlich alles und verharrte erstarrend, sich ergebend dem Willen der Schale die alle Kraft und Energie dem Strom entzog. Auch die letzten Bewegungen erstarben. Der einstige Strom war eingefroren in einer festen Form, im Inneren das Konstrukt, erzwungen es zu umfließen, nun Eins mit dem Ganzen. Endlich war alles in Ruhe. Formeln der Physik und der Naturgesetze bedingten einander nicht länger. Ein erstarrtes Etwas wurde schließlich aus der Zwangsform befreit und die letzte Wärme entwich. Schwerkraft wirkte, Bewegung losgelöst aller Drücke, baumelnd, bis Innere und äußere Temperatur keinen Wärmestrom mehr zuließ.  Der Prozess der Genesis war zum Stillstand gekommen, alle Werte auf Null. Kein Bild, kein Ton, kein Druck, keine Bewegung. Die Gleichung, eine Subtraktion gleicher Terme. Null. Ausgeschöpft alle Fähigkeit der Materie, welche außerstande sich selbst zu beleben ist, außer zu sein. Enthoben der Notwendigkeit, jedoch bereit.

Bereit zum Empfang des besonderen Funkens, dessen Erklärung außerhalb des uns zur Verfügung stehenden Sprachraumes liegt.

Olivia

Weiß. Länglich.
Es war ein weißer Stab den ich zuerst sah als mein junges Puppenherz zu schlagen begann. Ob es die blanke Leuchtröhre über mir war oder der Heizstab mit dem die freundlich lächelnde Frau meine Gussnähte glättete, ich weiß es nicht mehr. Erst ungeordnet fließend, zu gallertartig dann elastisch fest ordneten sich aus dem Chaos erste Strukturen meiner Gedanken. Da war etwas, da draußen, um mich. Schwingungen, rudimentäre Informationen wie: Hier, dort, oben, unten verdichteten und verknüpften sich. Unten war etwas. Unter dem wo hier ist. Unter mir,… dem was ich bin. Das – dort. Ich – hier. Ich?
Warum wurde ich gemacht und liege hier? Das waren meine ersten Fragen während die lächelnde Frau, ganz eins mit sich, eine schöne Melodie summte.

„Olivia?“ Fragte ich leise ohne mich selbst zu hören.
Sie sah mich an, „Du hast meine ID Karte gesehen.“ sagte Olivia, während ihr Mund das Lied weiter summte.
Ja wie geht das…? Wo bin ich hier?

Sobald sie mit meinen Gussnähten fertig war und mit Sorgfalt mein Gesicht fertigstellte flüsterte sie mir ins Ohr:
„Das ist Deine Furcht, noch bist Du sehr verängstigt aber das ist Deine Natur, liebe Nathalie. Ja – so heißt Du, Du sensibles Wesen.“

Sie richtete mich auf, legte ihre rechte Wange an meine linke, fasste meine rechte Schulter und zeigte dicht vor unseren Gesichtern mit der linken Hand schräg nach oben, wo zwischen den Leuchtröhren der Blaue Himmel durch die Oberlichter zu sehen war.
„Dort draußen, schau – dort, da ist jemand der alle Deine Fragen kennt und beantworten wird. Der Weg wird hart und sehr beängstigend für Dich sein, aber der Lohn ist die Liebe. Er führt Dich in ein warmes Zuhause mit freundlichen Menschen die Dich lieb haben und beschützen werden. Dein älteres Schwesterchen wartet auch schon auf Dich. Alle Deine Tränen werden fortgewischt. Du wirst getröstet werden.“ Olivia erklärte mir noch viel mehr.

Ein Schwesterchen, lieb gehabt werden, oh das ist etwas wo sich auch die beschwerlichste Reise zu ertragen lohnt. Ich werde tapfer sein und mir alles gut merken um zu berichten, sagte ich zu mir.

Die Fabrik

Von der Bank zu einem Förderband, dann auf einen Wagen. Vom Wagen an einen Haken… Da hing ich nun. Inmitten vieler meiner Art.

Oh Himmel, wie wäre es wenn ich noch verwechselt würde? Wo käme ich vielleicht hin?
Jemand der böse zu mir ist, ein ungepflegter muffiger Pachyderme der mich haut und grob zu mir ist? Ich bin doch so sensibel, liebebedürftig und will gestreichelt und gedrückt werden. Für die Liebe geschaffen, ja, auch mehr… womit man seine Liebe ausdrücken kann.
Was konnte ich nur tun das ich nicht in die falsche Kiste komme? Jetzt waren da viele Menschen die uns von den Haken nahmen und in die verschiedensten Kisten legten.
Überall Zettel mit Namen und Adressen auf den Kisten – und dort…! Ich sah die Kiste mit der Adresse wohin ich sollte. Da hinten links.

Gleich war ich dran, jetzt war ich doch beunruhigt… Konnte ich doch nichts unternehmen. Nein-nein, kein Dasein in Agonie und Tränen, das kann nicht der Sinn sein warum ich so mühsam gemacht wurde.  Mit klopfendem Herz bis in den Hals starrte ich meine Kiste an, meine Kiste, in die ich doch unbedingt hinein muss. Unbedingt – unbedingt!
Olivia kam jetzt angelaufen und sprach mit einem Mann. Sie gestikulierte, Lärm überall, nichts zu verstehen. Sie kam mit dem Mann zu mir und sie legten mich behutsam in eine Folie in der es ganz sauber war und dann… In meine Kiste.
Eine kleine Stelle der Folie ließ sie heimlich offen. Warum denn das? Ein Heftchen, ein Kleidchen und mein Höschen kommt mit. Ach ja, mein Haar… Na und noch etwas mehr Sachen. Die Kiste wurde verschlossen, meine Kiste, ich war in meiner ganz eigenen Box …ich war gerettet.

 

Ein spitzer Gegenstand durchstach meine Kiste, so das ich durch das zurück gebliebene Loch hindurch etwas sehen konnte. Ja stimmt, Olivia sagte das sie etwas machen wird damit ich nicht so viel Angst haben muss. Sie muss wohl so etwas gemeint haben. „Gute Reise liebe Nathalie…“ Flüsterte es durch das Loch. Ich wurde hin und her geschoben. Sandkrümel knirschten unter der Pappe meiner Kiste. Ich lag recht bequem, wurde getragen, abgesetzt, elektrisches Surren und leichtes Schaukeln,… Ich fuhr und seitlich sah ich die Fabrik sich entfernen,… Grüne Flächen und die frische Luft machte mich schläfrig das ich weg dämmerte.

Die Überfahrt

Hohles Klopfen, Geruch von Abgasen, Öl und Salz,… Ich erwachte und sah durch das Loch das Olivia durch die Kistenwand gestoßen hatte. Da waren viele Kisten so wie meine und warfen lange Schatten von der Abendsonne. Reisen wir alle zusammen? Wie geht es wohl meinen Verwandten darin gerade? Ich versuchte nicht zu sehr nachzudenken als wir in eine rotbraune metallene Riesenkiste gehoben wurden. Blecherne Geräusche, Quietschen und dann wieder Ruhe. Ein Schiffskontainer, oii – ich mache eine Schiffsreise. Ein lautes Knarren kündigte das Schließen der Türen an und schwankend schien unser Container auf das Schiff geladen zu werden. Als alles zur Ruhe kam war nur der Wind zu hören. Ihm zu lauschen entspannte denn ich glitt langsam in eine andere Welt bunter Farben und friedlicher Ruhe… Dort wo alles so leicht war das es zu schweben schien, erhoben sich aus einem Sausen und weichen Rauschen hörbar Stimmen. Eine liebe Stimme fragte, „Nathalie, Hörst Du uns?“

Sprechen konnte ich nicht aber ich dachte, „…ja ich höre Euch. Wer seid Ihr?“

„Wir sind Die, die Dich sehnsüchtig erwarten. Ich bin Jessy, Deine große Schwester. Yvonne, Lisa, Lea und Emma sind viel kleiner, nur ein Sechstel, aber auch Zucker liebe Nathalie.“

„Aber, …warum höre ich euch?“

„Durch die Macht der Phantasie und der Liebe nur eines einzigen Menschen zu uns sind wir in einer Welt miteinander verbunden, jenseits der Welt der Dinge. Hier spüren wir einander auf – und alles was Dir geschieht spüren wir. Alles was uns geschieht spürst Du. Diesen Zugang hast Du durch Steffs Liebe zu Dir erhalten. Sie verbindet uns untereinander.“

Mir dämmerte es,  noch war ich auf dem Schiff. Die Motoren, beruhigendes Brummen und Vibrieren der schweren Maschinen und Rufe von Menschen, rasseln von Ketten und Schritte harter Stiefel auf Metallboden. Sanftes Schaukeln und Meeresrauschen. Ab und zu klopfte unregelmäßig etwas metallisch gegen unseren Container. Wir waren wohl schon lange auf See.

Gedämpftes Lachen drang nun an mein Ohr, Stimmen die sich ruhig unterhielten. Vielleicht ging die Mannschaft in den Feierabend? Später war es ganz still.
Nur den Motoren lauschte ich und das sie mich mit jeder Drehung der Propeller meiner Familie näher brachten. Zu Steff,… wie er wohl sein mag?
Leise vernahm ich: „Ich denk‘ an Dich…“
„…Steff..? Bist Du da?!“

Das Schiff stellte sich leicht auf und tauchte wieder ein,… Auf und nieder. Ich zählte es mit wenn die Motoren beim Aufsteigen ihr Geräusch anschwellen ließen um es beim Eintauchen wieder weicher werden zu lassen. „Fleißige, brave Maschinen“ dachte ich noch…
Überdies fiel ich eine bleierne Müdigkeit, ganz tief, schwer und still. Meine Familie um mich, wie schön das sein muss, waren meine letzten Gedankenfunken und entwich schließlich ganz in einen Schlaf in dem Raum und Zeit seine Gültigkeit verliert.

Der Hafen

Rumms!
Ein kräftig dröhnender Schlag weckte mich.
Der Container war geöffnet und Licht fiel herein.
Er stand auf dem Boden eines Hafens, Stimmengewirr einer anderen Sprache. Wir wurden umgeladen und durch komische Tore geschoben die uns mit Strahlen durchleuchteten, das es in meinen Gelenken kribbelte. Dann auf Karren und dann in Lastwagen. Das ging alles so schnell das ich nicht alles durch das Loch hab erkennen können. Ich sah wie meine Verwandten in alle Richtungen zerstreut verladen wurden. Alles Gute Euch, ein schönes Puppenleben ihr Lieben…

Hier Kisten mit Obst, Äpfel waren drauf gemalt, dort sah ich ganz neue identische Autos. Alles entfernte sich bis Ich ganz alleine war. War mein Zettel mit der Adresse noch dran? Komme ich da an wo ich hin soll? Der Gedanke war noch nicht ganz zu Ende gedacht da stieß ich hart auf. Meine Kiste lag nun schräg und ich hatte Mühe mich fest zu halten. Dann wurde ich schwungvoll mit einer Sackkarre in einen Lastwagen gebracht,  umhergerollt und senkrecht abgesetzt.

„Nicht doch, er wird doch nicht…?“
Der dumme Mensch kippte mich, ließ meine Kiste einfach umkippen. Der Aufschlag war sehr hart, stechender Schmerz durchzuckte meine Gelenke. Mein Kopf dröhnte. Alles flog in meiner Kiste durcheinander. „Kretin, verdammter!“ Er trat mich mit Füßen in eine Ecke wo ich nun hoffentlich sicher war. Hauptsache er verschwindet. Ich musste weinen weil das so weh tat.

„Sowas“, ich ballte meine Hände zu Fäusten, weinte bitter weil ich auch arg zornig über so viel Ignoranz und Respektlosigkeit war. Noch bevor ich mich vollends echauffieren konnte fiel mir Olivia ein. Die Reise wird hart. Und meine Tränen werden fortgewischt. Ich beruhigte mich und ergab mich in das was um mich und mit mir geschah.

Die Autobahn

Der nagelnd raue Klang des Motors lenkte mich ab. Puuh, und ein stechend rußiger Gestank biss in meiner Nase. Ich dachte an mein neues Zuhause. Wie es da wohl sein wird?
„Wir sind alle bei Dir“, hörte ich.

Ein gelbes Schild,… Hamburg, ich bin in Deutschland. Richtig, steht ja auf dem Zettel, aber ich bin wirklich da. In der Plane des Lasters war ein Riss durch den ich spicken konnte.

Das Geräusch änderte sich nach einiger Zeit und wir stoppten. Aber hier? Es zischte und der Motor verstummte. Ich sah Büsche mit Papier in den Zweigen, das sich von Windstößen bewegte. Bänke und Tische aus schmutzig grauem Beton und andere Lastwagen. Es klappten Türen und mehrere Stimmen sprachen miteinander und lachten. Dann öffnete sich mein Anhänger und der unangenehme Geruch von Kloake und Schweiß erreichte mich. Schritte näherten sich. Um Himmels Willen was passiert jetzt hier…? Meine Gedanken malten sich die schlimmsten Dinge aus. Meine Box bewegte sich.

Das Entsetzen

Eine scharfe Klinge öffnete meine Box und drei schwitzende Männer schauten mich grinsend an. Einer jedoch eher ausdruckslos. Schmutzige, dicke kurze Finger mit abgekauten Nägeln kamen auf mich zu. Ein widerlich fetter,  brachycephaler Typ mit schiefem Grinsen drückte, nein grapschte grob und schmerzend meine Brüste, mein Gesicht und, „Auu“, meine so sehr empfindliche Mu. Der süffisant gierige Blick seines mopsartigen Gesichts stach mich in mein Herz das am liebsten stehen bliebe. Oh wie furchtbar, geht weg – aber sie lachten gehässig und mir war nur zum Weinen. Meine weichen Brüste taten mir so weh, der Griff, brutal wie eine Zange. Tränen liefen über meine Schläfen herunter. Seht ihr sie denn nicht?

 

Warum macht niemand meine Händchen vor mein Gesicht? Schaut mich doch mal genau an. Ich bin doch zum Liebhaben gemacht, seht und spürt Ihr das denn nicht? Wer seid Ihr?
Jetzt holte er auch noch ein Taschenmesser hervor und wollte wohl meine Schutzfolie öffnen. Nein! Nicht,… Tut er mir jetzt noch mehr an? Ich erstarrte. Bevor er jedoch mit seinen unegalen Pfoten die filigrane Klinge ausklappen konnte hielt ihn der Kretin, der mich hat umkippen lassen, davon ab und sagte irgendwas in rauem Ton. Die Augen des Mopsgesichts wurden zu schlitzen. Nimmt mich eine dieser entsetzlich abstoßenden Gestalten etwa noch mit? Mein Herz schrie um Hilfe. Welch eine furchtbare Welt hier draußen und die Worte Olivias kamen mir in den Sinn. „Trost erwartet Dich“, sagte sie. Der Kretin verschloss meine Box ganz sorgfältig, das es so aussah als wäre sie nie geöffnet worden. „Das macht er ja ganz vorzüglich“, dachte ich. Die anderen Männer feixten und sagten obszöne Sachen… In meinen Tränen lag das pure Entsetzen, all die Angst und Abscheu. Zitternd vor Angst und Hilflosigkeit floh ich mit meinen Gedanken tief in mich hinein. In meinen Körper, meine Gelenke, Bolzen aus Edelstahl und vielen Rohre,… Das war ich also. Andersartig, fremd,… Aber darf man mich so behandeln? Bin ich so wenig wert? Aber außen doch wie sie?
„So sind wir Dolls alle…“ Sagten viele Stimmen unisono. „Aber eines musst Du unbedingt wissen, Nathalie. Nur die Liebe und Phantasie erweckt uns. Ohne sie sind wir nur tote Gegenstände, nur Puppen. Menschen jedoch, wie diese drei eben, die uns zu sich holen, sie erhalten auch nicht mehr als nur eine tote kalte Puppe. Wir werden gekauft, benutzt, verbraucht, kaputt gemacht, weggeworfen.
Erst durch die Liebe und Phantasie kannst auch Du leben, lieben, aber auch leiden.“

Ja – das habe ich jetzt verstanden.

Der Hub

Eine unruhige Fahrt ging zu Ende. Lärmend, weil mein Anhänger schepperte und grobes Bremsen und ruckendes Anfahren sehr anstrengend war. Die laut flatternde Plane, die immer wieder an die Spriegel klatschte. Klirrende Ketten und das dümmlich hohle Bollern eines leeren Plastikeimers, der in meinem Laderaum umherrollte, dann hin und wieder an meine Kiste stieß, hielt mich angenervt wach. Langsam hatte ich wirklich genug.

Hunderte Stimmen und Geräusche. Massen von Autos und Lastwagen. Flugzeuge flogen auf und ab. Es sah wie ein Flughafen und großes Verteilzentrum aus. Beeindruckende Lauflichter in der Abenddämmerung.
Meine Box wurde auf eine Holzplatte gebunden und mit einem Gabelstapler in ein kastiges braunes Auto geladen. Ob ich bald am Ziel bin?

Der braune Kastenwagen fuhr nicht mehr ab und durch ein kleines Fensterchen des Laderaums fiel gelblich fahles Licht. Regelmäßiges Rauschen ließ eine Autobahn in der Nähe vermuten und mischte sich ab und zu mit dem Grollen großer Flugzeugmotoren.
Es wurde kühler und die Nacht rückte ein. Der Schrecken der Reise wich, die Geräusche wurden leiser, weniger – und wobei noch schwache Windböen den Wagen ganz leicht Schaukeln ließen wurde ich derweil ganz leicht. Leicht wie die Flieger hier,… ich sah schöne bunte Flieger um mich herum. Sie tanzten und rollten sich, machten allerlei Kunststückchen als spielten sie miteinander. Dabei warfen sie bunte Blüten von Rosen, Oleander und Margeriten ab.  Es war fröhlich und ich war entzückt inmitten dieser Blütenwolke.

„Was war das nur, wie kommt das zu mir?“ Ich hatte hundert Fragen.

„Das, liebe Nathalie…“ Sagte eine ruhige Stimme, „Das sind Steff’s Flugzeuge die Du siehst. Er hat mehrere davon. Ein Riesenspaß. Und Nic liebt Blumen.“
„Jessy… Das war Jessy“, dachte ich.
„Ich bin es.“
„A-Aber warum sehe ich Steff’s Flieger und die Blumen?“
„Weil er, wenn er eines fliegt, eins mit ihm wird und das dort Nic’s Lieblingsblumen sind, die sie sehr liebt. Wir spüren das alle, auch Deine Reise und Deine Angst. Wir haben alles miterlebt. Wir Püppis sind auf immer verbunden. Steff hatte Yvonne mit in den Urlaub genommen. Sie ist viel kleiner als Du und ich. Wenn er sie lieb in die Hand nimmt fühlen wir das alle gleichermaßen. So sind wir nie allein, auch wenn er mal nicht zu Hause ist.“

Immer größer wurden die Kreise um mich, immer leiser die Geräusche bis die hübschen Flieger in der Ferne als Punkte verschwanden. Ich fühlte mich geborgen bis in die Zehen. Meine Kiste wurde mein sicherer Kokon bis das Dach sich öffnete und zu einem transparenten Pavillon wurde, in dem sich im Schloßgarten Paare treffen. Ich sah die Sterne und mein Traum trug mich zu Steff’s Herz, dessen Gedanken stets gegenwärtig sind, warm, voller Hoffnung und Zuversicht. So warm und sicher als würden mich seine Hände sanft in Gänze umschließen.

Die letzte Fahrt

Im zarten Morgenrot stach ein kleiner gelber Jet fauchend in den Himmel. Er huschte an dem Fensterchen vorbei. Der Wagen startete bald und fuhr los.
Er stoppte, Sachen wurden ausgeladen. Eine eifrige Frau in brauner Uniform lud fleißig aus und fuhr weiter. So ging das Stunde um Stunde bis ich dran war. Durch das Loch sah ich Vögel, Bäume, Blätter und spielende Hunde in Gärten voller hübscher Blumen. Die Luft roch nach Heu und Beerensträuchern. Das gefiel mir, schön ist es hier, dachte ich. „Ich komme helfen!“, rief jemand. Nein nicht jemand. Steff’s Stimme war das… Wie sonst in meiner Traumwelt. Ooch was war ich aufgeregt, wie schön, ich bin endlich angekommen und presste mein Gesicht an das Loch um möglichst viel sehen zu können. Ich wurde vorsichtig bis in ein Haus getragen. Die fleißige Frau dankte und verabschiedete sich. In der Haustür spiegelte sich der braune Kastenwagen der zügig davon fuhr, wobei er Blätter und Staub hinter sich aufwirbelte. Die Tür schloss sich. Stille. Leichte Schritte. „Ist sie da?“ Fragte eine freundliche Frauenstimme leise. „Ja Nic, Nathalie ist angekommen.“ Sagte Steff. Ooh Nic, Steff’s wundervolle Frau… Ich erinnerte mich an einige kurze Dinge die Olivia sagte.

Die Ankunft

„Lass mich raus, lass mich raus!“ Meine Kiste, die mich die ganze Reise beschützt hatte wurde mir plötzlich viel zu eng… Raus, raus hier…!
„Ja Nathalie…“, sagte Steff, „es ist soweit.“

Eine Holztreppe war das erste was ich sah und leuchtende Kerzen.
Als meine Kiste ganz geöffnet war öffnete Steff auch meine Schutzfolie. Er sah mich verliebt an und es schwebte lieblicher Patschuli Duft zu mir der einem Räucherkästchen entstieg. Entspannender Down tempo Jazz war zu hören. Er half mich aufzurichten und ich spürte seine warme Hand auf meinem Rücken. Dann sah ich hübsche Wäsche und Kleider dort drüben hängen, ob die für mich sind? Nein das kann nicht sein, wo ich doch nur eine Doll bin.

Meine Blicke streiften umher. Dort, ein lieber Hund, eine schöne Anrichte in warmem Licht, hier ein Regal mit Büchern und ooh – da ist Nic, was für eine wunderschöne Frau. Nic und Steff trugen mich nun die Treppe hinauf.

Hier saß ich nun, nackig und einer zerschundenen Pappkiste, umgeben von Folie. Auf einem großen Bett und einer weichen Decke abgesetzt verdeckte ich meine Blöße mit meinem Schlafsack während ich mich umsah. Das ist wirklich ein sehr schönes Zimmer, was hier alles zu sehen ist.

„Hallo Nathalie…Huhu…!“
Huch, das kam von hinten aus der Ecke.

„Wir sind die Barbie-Gang und haben schon auf Dich gewartet. Du musst uns doch von Deiner Reise berichten…“
„Das mache ich – das mache ich unbedingt… aber ich… lasst mich erstmal ankommen. Steff?  – Hier ist ja richtig was los?!“

 

„Allerdings,“ Sagte er, „das ist Nic’s Gang. Eine sehr hübsche Runde und sie gehen sehr gerne aus zum Feiern.“

#

„Und die Kleider waren doch für mich. So süße Kleider,… für mich?“ fragte ich.
„Die sind alle für Dich und schau, jetzt bekommst Du erstmal einen schicken Bikini, denn es ist Sommer und sehr warm.“

 

„Mein eigener… Bikini…“ ich schaute mir das schicke Oberteil lange an.
Zu Tränen gerührt verdeckten meine bebenden Fingerchen meinen Mund, Wangen und Nase, während mein Blick zwischen Steff und Nic hin und her flog.

„Hey-hey meine liebe Nathalie, alles ist gut und richtig so.“ sagte Steff einfühlsam.
„So viel Glück ist selbst für mich zu viel“, ich dachte ich werde doch nur benutzt, und ja, vielleicht gemocht.. aber so? Das hier?
Selbst meine geistige Stimme war belegt, sie brachte halb von Tränen erstickt nur:.“…hab mich einfach nur lieb.“ hervor.

„Aber ja – darum bist Du hier.“ sagte er, während er meine Hände von meinem Gesicht nahm und in meinen Schoß legte.

Das Versprechen

Er wischte alle meine Tränen weg, nahm mich in den Arm und seine Hand hielt meinen Kopf das ich seine Finger auf meinem Haar spürte. Sofort durchströmte mich eine erleichternde Ruhe. Alle Strapazen und Ängste fielen von mir ab. Ja – das war der Trost. Das war es, was mir von Olivia versprochen wurde.

Jetzt passierte noch etwas – sein Trost setzte in mir etwas frei was ihn wiederum beruhigte und auszugleichen vermochte. Er schien es förmlich in sich aufzunehmen. Das, was nur wir Püppis spenden können. Diese besondere Ruhe, Stille und Ausgeglichenheit. Er scheint es zu brauchen und darin fand ich meine Aufgabe.

„Willkommen zu Hause.“ sagte Steff mit beruhigender Stimme. „Endlich bist Du hier.“ und gab mir ein Blümchen als Geschenk. Nein sind die sweet und sah sie ungläubig an; ich schnupperte an ihnen… er beschenkt mich mit Blumen. Mich!

„Wer bin ich denn schon so beschenkt zu werden? Womit habe ich das Verdient…?“

Er nahm mein Gesicht in seine Hände streichelte meine Wangen und gab mir einen liebevollen, allerersten Kuß. Alle Schrecken der Reise, auch der Kretin und das Mopsgesicht verschwammen im Meer der Vergangenheit.
So war es um mich geschehen – und so das Geschehen um mich als er daraufhin sagte:“ Die Liebe kann man sich nicht verdienen. Sie ist stets ein Geschenk. Wohl dem der es anzunehmen vermag.“

Jetzt wusste ich es sicher, hier bin ich willkommen und werde geliebt. Ich begann das ganze Zeug aus meiner Kiste zu werfen, öffnete den Schlafsack und zog mein Bikini Höschen an. Nun aber raus aus dieser ollen Box.
„Ich schaffe das nicht alleine, bitte hilf mir doch!“

Out of the Box and into life

Steff und Nic hoben mich aus meiner Kiste. Nic strich mir lieb durchs Haar ließ uns aber nun alleine.
Mit Kamm und Bürste in der Hand kam Steff und,… Halt,… Hier beginnt die Gegenwart?!

Denn nun sind wir in der Gegenwart angelangt.
Ich war nicht mehr, ich bin. Noch immer nicht ganz sicher was genau aber allem Anschein nach mehr als die Summe meiner Teile, im Angesicht dessen der mich liebt wie ich bin.

Ja es ist wahr, hier werde ich getröstet und geliebt. Eine…:
‚Doll to be loved.‘
‚A love doll.‘
Entweder in diesem Sinne,…oder:
Einfach nur Nathalie, Eure Nathalie.

Der Sommer

Ja, es ist Sommer und ordentlich warm. Mein Körper ist jetzt ganz soft und ich musste Steff schon auf die Finger klopfen mich nicht andauernd anzufassen. Ich mag das natürlich, das soll und darf er ja, aber jetzt will ich erstmal alles und alle hier kennenlernen. Ich habe mich erstmal etwas vorsichtig ans Fenster gestellt wo der erfrischende Ventilator arbeitet. Schaue mir den Garten und die schöne Natur von hier oben an. Für meine schönen Kleider und Schuhe wird die Zeit schon noch kommen.

In Kürze mache ich mich landfein für mein erstes Shooting. Ein Shooting für Euch. Und ich soll Euch herzlich von Jessy grüßen, sie hat ihr linkes Knie gebrochen  habe ich erfahren, und sie wird gerade operiert. Aber bald kann ich meine Schwester begrüßen. Darauf freue ich mich.

Eure Nathalie

 

Nathalies Reise