Jamilas Reise
Jamilas Reise

Jamilas Reise

 

Teil 2

 

Ich war gerade Wasser holen wie ich ein Flugzeug landen sah. Der Motor klang nicht gut und ungleichmäßig. Gleich neben dem Wäldchen wo es flach war und der Brunnen ist setzte es auf und es staubte sehr.

Der Pilot stieg hustend aus nachdem er den Motor abgestellt hatte und machte sich sogleich an dem Flugzeug zu schaffen. Wahrscheinlich war etwas nicht in Ordnung an seinem Flieger was ihn hier im Nirgendwo zu landen veranlasste. Er sah verschwitzt und matt aus, also ging ich zu ihm und bot ihm etwas von meinem Wasser an.

Er dankte sehr freundlich, wusch sich das Gesicht, trank und erfrischte sich bis mein Eimer fast leer war. Den Rest schüttete er sich über den Kopf. Dann holte er aus dem kleinen Laderaum auch einen Eimer und wir gingen zusammen zum Brunnen. So lernten wir uns kennen.

Seit dem kam er immer wieder dort hin, immer von Namibia über die kleine Grenzzunge am Sambesi Fluss, rüber zu mir nach Sambia und wir sahen uns für ein paar Stunden. Meine Familie durfte das auf keinen Fall erfahren. Unmöglich – viel zu konservativ und rückständig wollten sie mich mit einem Widerling aus dem Nachbardorf verheiraten. Aber ein weißer Mann? Das würden sie nie tolerieren. So ging das einige Zeit.
Ja – und einmal, am Abend, wo die Sonne gerade den Horizont berührte, wir lagen unter der Tragfläche im Schatten, da liebten wir uns… Es war ein wunderschönes Erlebnis im lauen Sommerwind. Ja – und so kam es zu Euch… Zwillinge. Hans machte keine halbe Sachen.

Ich zog dann bald zu ihm, ich brachte Euch zur Welt und war seit dem immer um Euch; und Euer Vater, der flog und flog.
Hin und wieder kamen fremde Leute zu unserem Haus und luden mit ihm Pakete und Kisten in seinen Flieger.
Als ich ihn irgendwann mal fragte was das sei wich er aus. Er sagte das seien nur kurzfristige Kleintransporte, das er das über die Grenze nach Angola fliegt und das es sehr viel einbringt.

Etwa ein Jahr später, das Geschäft lief gut, da wollte er das jedoch nicht mehr tun, aber die Fremden kamen immer wieder bedrängten ihn. Es war manchmal beängstigend wie sehr.

 

Einmal, ich stand gerade in der Küche und wollte Essen machen, da sah ich durch das Fenster was sich zutrug. Er warf ihnen die Pakete vor die Füße das es staubte, sie stritten aufgeregt und dann drehte er sich um und ging weg. Einer der Fremden zog eine Waffe aber der andere hielt ihn ab, sagte irgendwas zu ihm, standen da und gestikulierten, diskutierten. Euer Vater stieg in sein Flugzeug und flog davon… Ich trat hinaus vor die Tür und hielt mich mit einer Hand am Pfosten unserer Veranda fest, roch noch die Abgase des Motors und sah ihm lange nach. Er stieg auf, höher, immer höher, ganz geradeaus… Bis ich ihn aus den Augen verlor.

 

Die beiden Fremden sahen mich aus der Entfernung durch ihre Sonnenbrillen an und ich fühlte mich plötzlich sehr alleine und hilflos. Die Fremden packten ihre Sachen und fuhren mit einem modernen Geländewagen davon. Ich stand noch lange da während der laue Wind den feinen Sand in Schleiern über unsere Veranda wehte. In der Hoffnung doch gleich wieder den mir so vertrauten Klang vom Motor seines Fliegers zu hören.

Papa war schon arg eingerostet.
Mama war kalt zu mir. Die anderen aus dem Dorf wandten sich ab wenn sie mich sahen. Mit einer modernen schwarzen Frau konnten sie nichts anfangen. Sie waren wohl noch nicht soweit.
Ich war tatsächlich zu einer Fremden geworden. Das hielt ich nicht lange aus und zog, nach nur einer Woche schon, nur mit meinem Jeep und einer Reisetasche auf dem Rücksitz nach Cape Cross an die Küste in Namibia und arbeitete dort Teilzeit im Seal Reservat. Da hier viele Deutsche waren hatte ich immer die Hoffnung zu erfahren was Eurem Vater zugestoßen war.

Als das Netz frei war erzählte sein Junge ihm das dort unten ein Flugzeug liege. Der Alte gab die Position per Funk durch aber es interessierte sich niemand so richtig dafür. Auf mein Nachfragen das Hans in diesem Zusammenhang vermisst wird, wurde von allen Richtungen behördlicherseits geschickt blockiert. Ich bezahlte zwei Taucher um nach dem Flugzeug zu sehen, aber sie meinten, daß es dort nicht zu finden sei.

Der alte Fischer war sich aber sehr sicher mit der Position, und als ich mit seinem Jungen sprach sagte er, das es eine Felsenspitze gewesen sei worin das Netz fest hing. So war das einzige was ich hatte dieses Foto und die Aussage des alten Fischers, der auch schon Ende 70 war. Keiner glaubte ihm die Story vom Flugzeug unter Wasser, man gab ihm zwei oder drei Scotch aus und seine Fahne hing im Winde und er redete ihnen nach dem Munde.
Ich wusste das sie lügen und mehr wussten. Alle hier. Es widerte mich an.

Eines abends dann, ich fuhr gerade nach Hause, wollte aber schnell noch etwas einkaufen, da kamen mir zwei Männer entgegen die mich stark an jene erinnerten die damals mit Eurem Vater an seinem Flugzeug stritten. Ich ließ mir nichts anmerken aber immer wieder mal sah ich sie. Mal hier mal dort. Wie zwei Hyänen blieben sie immer in meiner Nähe, aber auf einer Distanz, das es auch hätte zufällig sein können.

So vergingen die Jahre.
Ich ging kaum mehr aus der Wohnung. Die Hyänen wurden abgelöst durch andere Hyänen. Irgendwann beim Putzen fiel ein kleines silbernes Ding mit einem Drähtchen dran auf den Boden. War wohl am Bilderrahmen dran. Ich ahnte was es ist und spülte es im Klo weg. Ein paar Tage später war wieder so ein Ding am Bilderrahmen. Sie gaben sich nicht mal Mühe sie gut zu tarnen.
Und so hörte ich aus Angst mehr und mehr zu leben auf und funktionierte nur noch.
Mir wurde wieder klar was ich bin. Nur eine Puppe, eine schwarze Puppe voller Trauer, Angst und ich vermisste Euch. Ich konnte Euch nicht besuchen kommen… Ich hätte meine Bewacher zu Euch geführt.

Als mich dann die Nachricht erreichte das Oma verstorben ist, Opa schon lange in einer Senioren Residenz lebt, war ich erschrocken und zugleich beruhigt, das ihr bei Sanhui gelandet seid. Oma hatte Euch rechtzeitig dort hin geschickt.
Denn jetzt beginnt alles neu. Eure Spur ist gut verwischt. Gelöscht. Endlich.

Es war Abend, ich hatte mir gerade einen Tee gemacht und saß auf dem Balkon. Ich dachte wie schön es wäre wieder geliebt zu werden und Euch Mädchen wieder um mich zu haben. Einen lieben menschlichen Mann der mein Leben bereichert. Meine Gedanken flossen umher und ich dachte so – wie überhaupt jemand von mir Kenntnis oder Notiz nehmen könnte?  Kemal, mein Nachbar trat gerade auf seinen Balkon um eine zu rauchen. Ich war ganz still und sah im schwachen Mondlicht nur seine Silhouette und das Glimmen seines Zigarillos. Er bemerkte mich nicht. Mir gefiel der Geruch von seinen Zigarillos und ich genoss es tatsächlich ein paar Minuten bis er leise wieder hinein ging und die Tür vorsichtig schloss. Ich schaute in meinen Becher, der Tee war schon zur Hälfte leer. Das Mondlicht glitzerte auf seiner Oberfläche. Es entführte mich in eine friedliche Welt, mit Kinderstimmen und freundlichen Menschen. So viele Jahre sind schon vergangen, ob mich jemals wieder jemand sieht? Ich tauchte durch die glitzernde Oberfläche, hindurch in diese andere Welt welche offen und grenzenlos, aber unerreichbar für die kalte Realität ist. In dieser Welt gab es keine Trauer, keine Überwachung und Furcht –  und keine Flucht. Dort hinter der glitzernden Oberfläche wart Ihr.

In diesem ruhigen Moment wo mein Herz und Geist weit offen war hörte ich Steffs Stimme in mir. Ein Mensch mit Zugang zu meiner Welt? Das ist nichts alltägliches und so flog ich, nur das nötigste gepackt, von Windhuk intuitiv hierher. Hier im geschützten Zuhause eines Menschen werden mich diese Zwischenwelt Hyänen weder finden können noch verfolgen. Hier bei Euch sind wir alle sicher.

 

 

Jamilas Reise